Open-House-Verträge im Bereich Blutzuckerteststreifen unzulässig – Vertragspflicht für Leistungserbringer

Am 30.11.2023 konnten wir erfolgreich für verschiedene Leistungserbringer vor dem Bundessozialgericht im Bereich der Blutzuckerteststreifen Rückforderungen einer gesetzlichen Krankenkasse abwehren.

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung dargelegten Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zu den Grundlagen der vertraglichen Beziehungen zwischen Leistungserbringern und den gesetzlichen Krankenkassen dürften sich erhebliche Änderungen im Vertragsgeschäft im Bereich der Versorgung mit Blutzuckerteststreifen und, soweit auch die schriftlichen Urteilsgründe den bereits vorliegenden Terminbericht des Bundessozialgerichts bestätigen, auch für weitere Versorgungsbereiche ergeben.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts unterliegen Blutzuckerteststreifen, die außerhalb der Apotheken abgegeben werden, im Hinblick auf die Vertragsbeziehung zwischen Leistungserbringer und gesetzlichen Krankenkassen den Regelungen zur Beziehung der Krankenkassen zu Leistungserbringern von Hilfsmitteln gem. § 127 SGB V, ohne dass Blutzuckerteststreifen selbst Hilfsmittel wären.

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass trotz der leistungsrechtlichen Zuordnung zum Bereich der Arznei- und Verbandmittel diese Produkte nur auf Grundlage eines Vertrages zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer abgegeben werden dürfen. Ausweislich des Terminberichts geht der 3. Senat des Bundessozialgerichts davon aus, dass Sachleistungen nur auf vertraglicher Grundlage abgegeben werden dürfen.

Unter dem Vorbehalt, dass sich der Inhalt des Terminberichts in den schriftlichen Entscheidungsgründen des Bundessozialgerichts bestätigen wird, geht Rechtsanwalt Jörg Hackstein, der fürHackstein Reuter Rechtsanwälte PartG mbBim Termin vor dem Bundessozialgericht verhandelt hat, davon aus, dass zumindest im Bereich der Blutzuckerteststreifen nunmehr endgültig keine rechtliche Grundlage für Open-House-Verträge besteht. Soweit das Bundessozialgericht einen Beitritt von Leistungserbringern mit Vorbehalt als wirksamen Vertragsbeitritt erachtet hat, wird man die schriftlichen Urteilsgründe abwarten müssen, um die Auswirkungen auf die aktuelle Rechtslage zu bewerten.

Die vom Bundessozialgericht wohl angenommene Vertragspflicht für Leistungserbringer und die Anwendung des § 127 SGB V auf Blutzuckerteststreifen lässt es im Übrigen nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Bastian Reuter mehr als zweifelhaft erscheinen, ob die aktuell im Bereich der Verbandmittel zu beobachtende Tendenz der gesetzlichen Krankenkassen zu Open-House-Verträgen rechtlich zulässig ist.

Leistungserbringer in sämtlichen Bereichen des § 31 SGB V für die das SGB V keine eigenständigen Regelungen zum Vertragsschluss enthält, insbesondere im Bereich Blutzuckerteststreifen und Verbandmittel, sollten vor dem Hintergrund dieser Entwicklung in ihren Vertragsbeziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen dringend prüfen, ob die jeweils bestehenden Vertragsbeziehungen neu ausgerichtet werden müssen oder neu begründet werden müssen.